Weiche Informationen

Klar, im Grunde hat Marco alles gesagt. Fakten, Fakten, Fakten, je härter, desto besser, so sind sie, diese Geschäftsleute. Unsereins (hier: ich) wünscht sich indes mitunter auch noch ein paar weiche Ergänzungen, bisschen was über das Trikotdesign und die Platzbeschaffenheit, die Stutzenfarben oder das Comeback des Jahres, eine Homestory über den Trainer oder wenigstens ein paar Einlassungen zur Schiedsrichterleistung.

Und wenn das alles nicht drin sein sollte, so ist doch zumindest eine hemmungslose Lobhudelei auf uns selbst unverzichtbar, wer weiß, wie lange wir die weiße Weste noch bewahren können?

Eine Lobhudelei auf Micha, zum Beispiel, der aller unausgesprochener Sorge zum Trotz, die beim ersten Hurglertor im Rahmen der unmittelbaren Spielvorbereitung ihren Höhepunkt erreicht hatte, eine tadellose Partie ablieferte und insbesondere mit einer bravourösen Reaktion in der ersten Hälfte, als er einen Schuss aus kürzester Distanz mit der Gewandtheit einer Raubkatze über die Latte lenkte, sowie beim Herunterpflücken eines zugegebenermaßen im Verbund mit Obi selbst heraufbeschworenen Lobs Mitte der zweiten Hälfte, der den Ausgleich bedeutet hätte. Beim Tor war er chancenlos, nachdem der Autor dieser Zeilen in seiner grenzenlosen Überheblichkeit geglaubt hatte, sein Gegenspieler sei zur letztlich erfolgreichen Direktabnahme gar nicht in der Lage. Tja.

Oder eine Lobhudelei auf die Abwehrreihe, die innen von Albin, Martin und Niki organisiert wurde, drei Herren, die sich auch für schmutzige Grätschen (Martin), humorlose Zaunbälle (Niki mit dem linken Zauberfüßchen) oder Querpässe vor dem gegnerischen Tor (Albin) nicht zu schade waren und mit Boden- wie Lufthoheit beeindruckten. Außen schlossen Andi, Stefan und Meister nicht nur defensiv die Viererkette, sondern gaben dem Spiel auch die nötige Breite im jederzeit kleinteiligen, gegenpressingresistenten Aufbau. Auch die seitens des Schiedsrichters erst kurz vor Spielbeginn preisgegebene Information, man werde mit Abseits spielen, stellte für diese Herren Kelsch, die auch mal zum taktischen Handspiel griffen, keine Herausforderung dar.

Das Mittelfeld agierte extrem fluide. Mal kippte der eine Sechser, Steffen, nach links ab, mal tat es ihm Manu auf der rechten Seite gleich, mal tauchte Obi, der sonst den kelschschen Ballbesitzfußball personifizierte, neben seinen Innenverteidigern auf, um einen seiner Sechser in der Vorwärtsbewegung gut aussehen zu lassen. Dass Steffen und Manu zur Pause quasi die Positionen tauschten, war so geschickt eingefädelt, dass Letztgenannter es selbst erst Tage nach dem Spiel bemerkte.

Auf den Außenpositionen verstanden es Claus und Igor sowie die polyvalenten Ralf und Marco im Verbund mit Mittelstürmer Ollo hervorragend, die unter 4-2-3-1 firmierende Standardformation situationsgerecht in ein 4-3-3 oder gar 4-4-2 zu verwandeln (oder auch 3-3-4, als Albin noch auf dem Feld war) und so die Prager Abwehr von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen. Schade, dass in der zweiten Halbzeit, als angesichts der gegnerischen Vorwärtsverschiebung viel Raum geboten wurde, die Zuspiele auf die drei Offensivpositionen zu häufig überhastet, ungenau oder gar nicht kamen. Oder dann auch, dem skeptischen familiären Beobachter geschuldet, nicht ideal verwertet wurden.

Nun, wie soll ich sagen, ganz so gut war es vielleicht gar nicht. Zumindest nicht immer, wie eben schon angeklungen. In der ersten Halbzeit war man zwar, ungeachtet einiger Prager Abschlüsse, im Grunde jederzeit Herr der Lage und hätte bereits in der ersten Spielminute in Führung gehen müssen. Diese ergab sich dann aus einer etwas hingewurschtelten Situation – Hauptsache drin. Vor dem zweiten Treffer zerschnitt Claus die Prager Abwehr erst dribbelnd, dann passend, Albin nahm sich sehr souverän alle Zeit der Welt, und Marco vollendete aus nur vermeintlich abseitsverdächtiger Position. Unmittelbar vor dem Pausenpfiff fiel dann aus einer Ecke der in seiner Entstehung bereits gewürdigte Anschlusstreffer.

Prag reagierte zur Pause mit einem offensiven Wechsel auf der Torwartposition, der die Kelschs etwas weiter zurückdrängte, in der Folge einzelne Optimierungsmöglichkeiten in der Rückwärtsbewegung offenbarte und auch ein paar Torchancen entstehen ließ. Den Kelschs gelang es zwar, wie bereits angesprochen, die Prager weitgehend von der unmittelbar gefährlichen Zone fernzuhalten und den Ball in der eigenen Hälfte ebenso gefällig wie riskant zirkulieren zu lassen; nach vorne übertrieb man es dann jedoch mit dem Risiko und meinte zu häufig zu früh (in Einzelfällen auch zu spät), den „tödlichen“ Pass oder das entscheidende Dribbling setzen zu können, sodass die weit aufgerückten Prager selten ernsthaft in Gefahr gerieten.

Und doch waren es die zwei Edeltechniker im Sturm, die schließlich das 3:1 vorbereiteten: Marco Claus spielte aus der Rechtsaußenposition quer und Igor verlängerte per Hacke, sodass einer der mitgelaufenen Sechser nur noch einzuschieben brauchte.

Letztlich ein verdienter, wenn auch im Vergleich zu früheren Jahren durchaus umkämpfter Sieg, wie der Erfolgscoach bereits unmittelbar nach Spielbeginn zu Recht feststellte. Demnächst können wir es uns möglicherweise nicht mehr leisten, lässig in den seitens des Gegners zur Kenntnis genommenen nicht fußballgerechten Hosen sowie unter Zuhauselassung des Kelschtrikots anzutreten.

Genug der weichen, mäandernden Schlaglichter. Die harten Fakten gibt’s bekanntlich bei Marco, bis auf den mom, so wir bei offiziellen Spielen überhaupt einen küren. Ich tu’s einfach mal: Micha. Bemerkenswertes Comeback, das Lust auf mehr machte und sehr früh den Hauch von Skepsis, der in den Augen einzelner Mitspieler zu erkennen gewesen war, hinwegwehte.

14 Gedanken zu „Weiche Informationen“

  1. Saubr nausbuddsd, Jungs! Auch wenn ich von Polyvalenz, Edeltechnik und Erfolgscoaching nichts verstehe, werde ich am Mittwoch im schönsten Kleid kommen. Hat denn einer meiner beiden Lieblingscruiser etwas Platz für mich?

  2. Schweren Herzens erneuere ich meine Absage für Mittwoch.

    Leichteren Herzens bekunde ich Interesse an Aufklebern, die bei etwaigen nicht sammelinteressierten 11Freunde-Abonnenten keine Verwendung finden. Natürlich nur für meinen Sohn.

  3. Den Micha hätte ich auch genommen. Auf den Plätzen zwei, den Manu und den Steffen, weil sie soviel gerannt sind, und den Martin weil er es echt cool gespielt hat. Den Ball auf Igor habe ich gespielt. Du musst also den Singular von Edeltechniker schreiben, was aber bei Nomen auf -er nicht so schwer ist.

  4. @Claus:
    Oh, das ist mir jetzt aber unangenehm.
    Außerdem ist mir diese Singular-Plural-Sache zu kompliziert; habe mich, inhaltlich völlig korrekt, für die Pluralbeibehaltung entschieden.

  5. Nachdem ich den Bericht jetzt auch fertiglesen habe (meine Mittagspause gestern war nämlich zu kurz dafür) sitz ich auf meinem Platz, noch auf den Bildschirm starrend und habe das Gefühl letzten Mittwoch an etwas ganz Besonderem teilgenommen zu haben. Ja, ich bin sogar auch etwas stolz auf uns usw. Am Mittwoch hat sich das jedenfalls noch ganz anders angefühlt. Wie man sich doch mit der eigenen Wahrnehmung täuschen kann…

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